Die Nachbarschaft / Die IGH

Eine ganze Nachbarschaft plant und errichtet einen Spielplatz für alle. Den Plan legen sie 1971 dem Gemeinderat vor. Bauauschuss und Gemeinderat waren zunächst dagegen. Sie fanden den Ortsteil zu abgelegen und das Gelände zu groß. Doch die Sandhasen, so nennt sich das Völkchen der hiesigen Nachbarschaft, hatten ihre vorgesehene Eigenleistung errechnet und konnten mit konkreten Angaben aufwarten. Die Pläne wurden genehmigt.

Heute ist der Spielplatz Hasenhöhle überregional bekannt und ein beliebtes Ausflugsziel für viele Familien aus nah und fern. Es ist aber auch die Geschichte einer „starken Gemeinschaft“, die mit und durch den Spielplatz „Verbundenheit und gelebte Nachbarschaft“ über Generationen weitergetragen hat und weiterträgt.

Eckdaten:

 1926 wurde das erste Wohnhaus des „Kattenbecksdorfes“ errichtet
 Die bei der Hasenhöhle wohnenden Nachbarn bezeichnen sich als „Sandhasen“, angelehnt an die Bezeichnung des Gebietes („Die Sandhaar“), die Straße „Sandhaar“ in der Nachbarschaft und dem Spielplatz „Hasenhöhle“
 Die Nachbarschaft besteht aus 52 Wohnhäusern
 1963 errichteten die Nachbarn gemeinsam die Mariengrotte
 Die Pflege der Grotte wird regelmäßig von ehrenamtlichen „Sandhasen“ durchgeführt
 1971 planten, organisierten und errichteten die Anwohner gemeinsam den Spielplatz Hasenhöhle
 Die Pflege und Organisation der Hasenhöhle wird ebenfalls weiter von der Nachbarschaft mit getragen
 Das große Gemeinschaftsgefühl entstand durch viele gemeinsame Veranstaltungen: Kinderkarneval, Kinderschützenfeste, das große Sommerfest, Lamberti, Nikolausfeiern, Krippenspiele, das große Kinder-Silvesterfeuerwerk, Doppelkopf-Turniere, Strick-Abende für gemeinnützige Zwecke, eine Fußballmannschaft, eine wöchentliche Kindergruppe mit Namen „Montagsgruppe“
 Freudige Ereignisse werden miteinander gefeiert: Geburten, Taufen, Kinderkommunionen, Verlobungen, Hochzeiten, Namenstage
 Traurige Ereignisse werden miteinander durchgestanden: Gemeinsames Beten um einen über Erden stehenden Verstorbenen in der Hütte

Häufig gestellte Fragen:

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 Warum heißt die Nachbarschaft „Kattenbecksdorf“?

Alfred Scheffer, der Sprecher der IG Hasenhöhle, beantwortete die Frage so:

»Vier Kattenbecksgeschwister – 3 x Kattenbeck, 1 x Feldhoff/Kemner – erhielten vom Elternhaus je einen Bauplatz. Deshalb wird die Sandhaar oft auch „Kattenbecksdorf“ genannt.«

Quelle: Ein Artikel erschienen in der „Festzeitschrift 50 Jahre Kinderschützenverein Sandhaar“ (1987) von Alfred Scheffer

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 Worin zeigt sich die besondere Nachbarschaft?

Dies beantwortete Alfred Scheffer so:

»Ein altes plattdeutsches Sprichwort sagt: „Nen guoden Noaber is biäter, äs nen wieten Vörwandten.“ (Anm.d.Red.: „Ein guter Nachbar ist besser, als ein weiter (entfernt wohnender) Verwandter.“) Und das, so darf ich mit ruhigem Gewissen sagen, trifft bei den Sandhaarnachbarschaften zunächst im engeren Sinne besonders zu.

Ohne Frage war und ist sie die Mithilfe in vielen Angelegenheiten. So z. B. war es selbstverständlich, bei Krankheit die Nachbarfamilie so gut wie möglich mitzuversorgen, eine junge Mutter aus dem „Wochenbett zu füttern“, Kinder zu beaufsichtigen, Kranke im Krankenhaus regelmäßig zu besuchen, selbst oder auch mit entsprechenden Gerätschaften auf dem Acker des Nachbarn mitzuarbeiten. Bestimmte Gebrauchsgegenstände dem anderen zu leihen war ohne Frage.

Freudige Ereignisse wie Geburten, Taufen, Kinderkommunionen, Verlobungen, Hochzeiten, Namenstage wurden natürlich mit Nachbarn gefeiert.« […]

Daß sich die Sandhaar recht früh als eine ganz große Nachbarschaft verstand, wurde sowohl bei den Älteren, als auch bei den Kindern in vielen gemeinsamen Arbeits- und Freizeitaktivitäten sehr deutlich. Solche gemeinsamen Unternehmungen haben uns als ein „Völkchen“ besonderer Art in Mesum geprägt und sind bis auf den heutigen Tag noch immer erhalten geblieben.«

Quelle: Ein Artikel erschienen in der „Festzeitschrift 50 Jahre Kinderschützenverein Sandhaar“ (1987) von Alfred Scheffer

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 Warum heißt die Sandhaar „Sandhaar“?

Darauf antwortete Alfred Scheffer so:

»Diese nun aus einigen ebengenannten Grundstücken entstandene – Sandhaar – war ein sehr sandiges hügeliges, von Heide und krüppeligen Bäumen bewachsenes Gebiet. Landwirtschaftlich kaum zu nutzen.

Der Name Sandhaar heißt nichts anderes als ein trockenes sandiges Gebiet, dessen Sande und tiefersitzende Kiesschichten aus Ablagerungen der Eiszeit bestehen. Der Name Haar ist uns ja nicht fremd. So gibt es z. B. in anderen Orten Straßen wie Haarweg, Up de Haar, An der Haar oder auch der durch die Eiszeit aufgeschobene Gebirgszug Haarstrand. Ebenso kennen wir in Mesum auch den Familiennamen – Von der Haar –. Unser Wohngebiet selbst hat sich diesen Namen für die Benennung einer Straße erhalten.«

Quelle: Ein Artikel erschienen in der „Festzeitschrift 50 Jahre Kinderschützenverein Sandhaar“ (1987) von Alfred Scheffer

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 Wie konnte man sich die Umgebung der Sandhaar früher vorstellen?

Darauf antwortete Alfred Scheffer so:

»Bis vor etwa 130 Jahren war die Welt für Mesum zu dieser Richtung hin praktisch bei Kleier/Thiede zu Ende. Alles Hinterland war mehr oder weniger unkultiviert und urwaldähnlich bewachsen. Schmale, von Bäumen und Wallhecken überhangene Wege führten bis an das unpassierbare Moor heran. Ein herrliches Naturparadies für viele, heute selten gewordene Vögel und Tiere.

Dazu kam die Beschwernis, daß es keine ausgebauten Straßen gab, sondern ein „Pättken“ (etwa 2 m breit), das mit weiß angestrichenen Pfählen vom Fuhrweg abgegrenzt war. Eine Straßenpflasterung gab es erst ab der Bahn. Und mancher wäre, je nach Witterung, in der jeweiligen Jahreszeit im Dreck, Schnee und Sand steckengeblieben, wenn nicht Opa Schmees (geb. 30.11.1871), selbst noch bis ins hohe Alter, so uneigennützig, dieses für uns so wichtige „Pättken“ gepflegt und gehegt hätte.«

Quelle: Ein Artikel erschienen in der „Festzeitschrift 50 Jahre Kinderschützenverein Sandhaar“ (1987) von Alfred Scheffer

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 Wie und wann ist die Tradition entstanden für Verstorbene der Sandhaar in der Hütte zu beten?

Darauf wusste Alfred Scheffer auch die Antwort:

»Als 1933 Gerhard Altevolmer – junger Vater – als erster auf der „jungen“ Sandhaar starb, war man tief betroffen und voller Mitleid. Zu dem Verlust eines lieben Menschen trat in der damaligen Zeit besonders auch die finanzielle Not. Das gemeinsame nachbarschaftliche Gebet (Gottesdienstbesuch) und dazu auch die finanzielle Unterstützung waren somit eine Selbstverständlichkeit. 50 Pf pro Familie – man bedenke damals mehr als ein Stundenlohn – sammelte man und gab es zur Bestreitung der Kosten der Trauerfamilie. Diese Sitte ist bis in den heutigen Tag erhalten geblieben.

Ein Stundenlohn wird nicht mehr gesammelt, dafür jedoch noch 1,– DM pro Familie für einen Grabschmuck oder als Stipendium für heilige Messen. Das gemeinsame Gebet der Bewohner der Sandhaar für einen über Erden stehenden Verstorbenen wird in der Regel unter großer Beteiligung der „Sandhasen“ heute noch wahrgenommen.«

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 Wie kam es zum gemeinsamen Bau der Mariengrotte?

Das beantwortete Alfred Scheffer so:

»Ein altes Sprichwort sagt: „Not lehrt beten oder auch gemeinsames handeln“. Als nämlich der harte Winter 1962/63 die Sandhaar durch riesige Schneemassen vom Dorf abschnitt, war man gezwungen, sich gemeinsam einen Weg zum Dorf freizuschaufeln. „Einigkeit macht stark“, so sagte man, und eine Vielzahl von „Sandhasen“ schaufelte sich mühsam im wahrsten Sinne des Wortes frei. Das bei so einer Gemeinschaftsaktion natürlich auch das „Körnchen“ und das vielseitige Gespräch nicht zu kurz kam, war selbstverständlich.

So wurden dann auch bei diesen Gesprächen untereinander die fürchterlichen Kriegserlebnisse einiger, im Krieg aktiv gewesener Soldaten, in Erinnerung gebracht. Hermann Hielscher dachte zu diesem Zeitpunkt besonders an eine lebensbedrohliche Situation. Er habe in seiner tiefsten Not der Mutter Gottes ein Versprechen gemacht, das er immer noch einlösen müsse.

Viele nahmen diesen Gedanken auf und begannen aus diesem Vorschlag ein gemeinsames Werk zu planen. „Denn schließlich sind wir alle unserem Herrgott und der Mutter Gottes zu Dank verpflichtet,“ so war die Meinung vieler, „mit deren Hilfe uns bestimmt in den vergangenen, fürchterlichen Jahren bedeutend Schlimmeres erspart geblieben ist.“

Die Pflege der Grotte, wie auch des Umfeldes, wird regelmäßig von ehrenamtlichen „Sandhasen“ durchgeführt. Und gerade jetzt noch hat, unter Beteiligung vieler, zum 25jährigen Bestehen der Grotte im nächsten Jahr, eine grundlegende Restauration der Grotte und deren Anlagen, stattgefunden.«

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 Woher kam die Idee und die Motivation einen Spielplatz zu bauen?

Darauf antwortete Alfred Scheffer so:

»Diese 1963 hinter sich gebrachte gemeinschaftliche Bauaktion weckte auch plötzlich wieder altes Gemeinschaftsgefühl und ließ die „Sandhasen“ wieder öfter hier, besonders beim Gebet, zusammenfinden.

Eine sehr starke dritte Generation wuchs heran. Das junge Leben brachte wieder neuen Schwung, ging oder fuhr gemeinsam zum Kindergarten, zur Schule, zur Kirche und verbrachte ihre Freizeit oft zum Ärger vieler Eltern mit Spielen auf der nicht ungefährlichen Moorstraße.

Das rief damals viele Eltern auf den Plan, andere Spielmöglichkeiten zu schaffen und so ging man 1971, angeregt durch gute Vorschläge einzelner „Sandhasen“, gemeinsam, vor allem Großväter und Väter, daran, einen größeren Spielplatz zu planen und zu bauen.

Großväter und Väter bauten einen Spielplatz für alle. Sie arbeiteten einen Plan aus, der dem Gemeinderat vorgelegt wurde. Bauauschuß und Gemeinderat waren zunächst dagegen. Sie fanden den Ortsteil zu abgelegen und das Gelände zu groß. Doch die Großväter und Väter hatten ihre vorgesehene Eigenleistung errechnet und konnten mit konkreten Angaben aufwarten. Die Pläne wurden genehmigt.«

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 Was sind die gemeinsamen Aktionen der Nachbarschaft?

Dies war die Antwort von Alfred Scheffer:

»Es entstand ein Gemeinschaftsraum mit Heizung und Kühlschrank. Wöchentlich treffen sich hier die Großväter und Väter zu Skat und Doppelkopf; ein anderes Mal die Väter und Söhne zum Fußballspiel. Heute ist daraus längst eine gute Freizeitmannschaft entstanden, die mit vielen Pokalen aus Spielen mit anderen Vereinen beachtliche Erfolge erzielt hat. Außerdem finden hier Versammlungen, Nikolausfeiern und auch das Beten für einen Verstorbenen der Sandhaar statt.

An einem Nachmittag in der Woche kommen die Großmütter und abends die jüngeren Frauen im Aufenthaltsraum zusammen, um für die Leprahilfe zu stricken. Jeden Sommer gibt es ein großes Fest mit vielen hundert Gästen und vielen freiwilligen Helfern. Der Reinerlös ist für den Spielplatz.«

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 Die Sandhaar hat auch ein Lied? Wie geht das?

Das bei allen Anlässen und immer wieder gerne gesungene Lied der Sandhaar geht so:

Sa-, Sa-, Sandhaar, klein aber fein,
du gefällst mir, wie du bist, nicht nur zum Schein,
Zwar wachsen keine Reben hier,
doch dafür gibt es Schnaps und Bier.
Unsere Stimmung ist famos,
auf der Sandhaar ist immer was los.

1. Nördlich da liegt Hauenhorst,
südlich steht ein Forsthaus,
im Osten liegt das Dorf,
im Westen da sticht man Torf.
Refrain: Sa-, Sa-, Sandhaar …

2. Da liegt ja unser Dörfchen.
Ihr wißt es alle mal,
das hat ein schönes Plätzchen
mit eigenem Lokal.
Refrain: Sa-, Sa-, Sandhaar …

3. Das Völkchen auf der Sandhaar
durch „Hasenhöhl“ bekannt.
Sie halten fest zusammen
und arbeiten Hand in Hand.
Refrain: Sa-, Sa-, Sandhaar …

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 Aber da gabs doch noch ein anderes, wie ging das?

Das hasenhöhlen-plattdeutsche Lied über die Entstehung der Nachbarschaft geht so:

1. Oh, wie schön bis du mien Düörpken,
woa kann et wull schöner sien.
Doa tröck voar 60 Joahren
Schulten Wilm mit Liesken hän.
Tüsken twee so kleine Koatten
Kleier und auk Scheffers Hoff
doa lag he so ganz verloaten
tüsken Heide, Wald un Moss.

2. Doch man blew nich lang alleene
et entstönn nen ganzet Duorp.
Denn hier entstönn no sienen Namen
usse schöne Kattenbierksduorp.
Kinner wuörn hier gebuoren
ruh und rauh wüorn see dann graut,
et gaff sölfsgemakten Stuten
un nen Stück vont Schwatte-Braut.

3. Ut den Hermann sien Verspriäken
kam de Grotte dann tostand’t.
Alle deih’n se düfftig werken
froh un munter Hand in Hand.
So entstönn auk usse Spiälplatz
Hasenhöhl‘ wätt he genannt.
Hier häff jeder siene Freide
he is weltenwiet bekannt.

4. Stolt de Lüde te bekieken
de es Kinner hier gebourn
woa find’t man wull iähresglieken
de so fast tosammenhollt.
Hännig kuomt se angelaupen
alle 5 Joahr to usse Fest
singt un lacht un danzt un springet
un wünscht sik dat Allerbest!

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